Mitten in unserem Garten stehen drei Obstbäume, zwei alte Apfelbäume und etwas versetzt davon ein Zwetschgenbaum. Zu den drei Bäumen gibt es eine Geschichte, die uns Andreas, der Vorbesitzer, beim Hauskauf erzählt hat.
Schon als kleinen Bub half er und sein um ein Jahr jüngerer Bruder dem Vater bei der Gartenarbeit. Sie durften Sträucher schneiden, Pflanzen setzen und manchmal unter Aufsicht des Vaters auch den Rasen mähen. Dabei mussten sie immer vorsichtig um die beiden kleinen Apfelbäume herum mähen, denn die Baumrinde durfte auf keinen Fall verletzt werden. Die beiden Apfelbäume waren fast gleich groß und standen nebeneinander. Jedes Mal bevor die Jungs mähen durfte, sagte der Vater denselben Spruch: „Die Rinde der Apfelbäume ja nicht verletzten, sonst fliegen die Fetzen!“
Eines Tages fragte der kleine Andi seinen Vater, warum er beim Mähen auf die Baumrinde aufpassen sollte. „Eine alten Tradition zufolge pflanzt der Vater nach der Geburt einen Apfelbaum“, begann der Vater zu erzählen. .„Diesen Baum da“, und dabei zeigte auf den Baum zu seiner Linken, „habe ich zur Geburt deines Bruders und den da“, dabei deutete er nach rechts, „zu deiner Geburt gepflanzt.“ Andi war neugierig und fragte weiter: „Wieso pflanzt man einen Baum?“ Der Vater lächelte und erklärte: „Bäume stehen symbolisch für das Leben. Die beiden Apfelbäume sind eure Lebensbäume. Genauso wie ihr werden auch die Bäume wachsen. Dabei schlägt der Baum kräftige Wurzeln, wird immer größer und stärker und trägt er viele Früchte. Symbolisch stehen die Wurzeln für deine Heimat und deine Familie. Der Stamm für den Halt in deinem Leben und die Früchte für deinen Erfolg.“Sie symbolisieren eure Wurzeln, euren Halt und euren Erfolg.“ „Bäume stehen für das Leben. Die beiden Apfelbäume sind also eure Lebensbäume. Sie symbolisieren eure Wurzeln, euren Halt und euren Erfolg.“ Manfred sah seinen Baum an. Er sah ja nicht gerade stark und mächtig aus. „Aber Papa, so groß und stark ist der Baum aber nicht sind.“ Sein Vater lächelte und beruhige ihn: „So wie ihr beiden auch. Ihr seit auch noch klein und müsst noch wachsen. Aber wartet noch ein paar Jahre, dann werdet ihr schon sehen, welche Früchte die beiden noch tragen werden!“
Und so geschah es. Die Jungs und die Bäume wurden größer und stärker. Jahr für Jahr halfen die beiden Jungs weiterhin fleißig bei der Gartenarbeit und lernten dabei, wie man altes Fruchtholz und kranke Äste entfernt und die Krone auslichtet. Als Dank für die gute Pflege schenkten ihnen die Obstbäume jede Menge Äpfel. Selbst nach ihrem Auszug halfen die beiden Jungs ihren Eltern bei der Apfelernte. Dabei wurden die Äpfel erst in Zeitungspapier gewickelt, anschließend in Kisten gelegt und diese gestapelt im kühlen Keller gelagert. Mit dem Ertrag der beiden Bäume hatten sie genügend Äpfel weit über den Winter hinaus.
Viele Jahre später erinnerte sich Andreas bei der Geburt seines Sohnes an die alte Geschichte vom Baumpflanzen. Auch er wollte einen Lebensbaum im elterlichen Garten pflanzen. Doch ein weiterer Apfelbaum, das wäre einfach zu viel gewesen. Aber müsste ein Obstbaum sein. Einer der auch sinnvoll wäre.
Da kam ihm eine Idee!
Seine Frau hatte während ihrer Schwangerschaft eine Vorliebe für Zwetschgenmarmelade entwickelt. Jeden Tag aß sie morgens eine Semmel mit Zwetschgenmarmelade. Es musste also immer genügend Zwetschgenmarmelade zu Hause sein. Doch an einen Vorfall erinnerte sich Manfred noch gut.
„Es war ein Sonntag und meine hochschwangere Frau war schon früh auf. Plötzlich schrie sie laut und ich war schlagartig wach. Jetzt ist es so weit, dachte ich. Ich sprang aus dem Bett und rannte in die Küche. Meine Frau stand vor der offenen Kühlschranktüre und weinte bitterlich. „Es ist keine Zwetschgenmarmelade mehr da“, schluchzte sie verzweifelt. Die dicken Tränen und ihren traurigen Blick würde er nie vergessen. Warum keine Marmelade mehr da war, das wusste Manfred nicht mehr, aber was dann passierte, daran konnte er sich noch gut erinnern.
Heute können wir auch sonntags bei Tankstellen einkaufen und in den Tourismusregionen haben auch die Supermärkte offen. Aber damals, Anfang der 70er-Jahre, gab es am Sonntag keine Möglichkeit Lebensmittel kaufen. Also rief Manfred bei seinen Eltern an, in der Hoffnung, dass diese auch Zwetschgenmarmelade im Keller lagerten. Doch Fehlanzeige. Im Keller lagerten nur Äpfel, haufenweise. Sie könne aber bei den Nachbarn fragen, meinte seine Mutter. Manfred wusste, dass auch in den Nachbargärten nur Apfelbäume standen, immerhin war er mit allen Nachbarjungs im Dorf gut befreundet – seine Hoffnung sank auf null.
Es dauerte eine Zeit lang doch dann rief seine Mutter zurück. Sie habe ein Glas Zwetschgenmarmelade bekommen. „Der Schwiegersohn vom Huber, der hat eine Schwester und deren Tochter macht jedes Jahr eine Menge Zwetschgenmarmelade. Sie war gerade mit dem Rad da und hat mir ein paar Gläser gebracht!“ berichtete seine Mutter triumphierend. Tag gerettet, dachte Manfred setzte sich ins Auto und fuhr die rund 40 km zum Elternhaus, um die Zwetschgenmarmelade für seine Frau zu holen.
Damit das nicht noch mal passieren würde, beschlossen Manfred und seine Frau zur Geburt ihres ersten Kindes einen Zwetschgenbaum im Garten seiner Eltern zu pflanzen.
Der Zwetschenbaum ist jetzt 3 Meter hoch und trägt jedes Jahr viele Zwetschgen. Genug für eine Menge Marmeladengläser.