Jedes Jahr, wenn die Zeit der Holunderblüte anbrach, widmete sich meine Oma der Zubereitung des Holunderblütensirups für das kommende Jahr. Dabei entführte sie uns immer wieder in die faszinierende Welt des Holunders und erzählte uns von seiner außergewöhnlichen Bedeutung.
“Man sagt, der Holunder sei magisch. In ihm sollen gute Hausgeister leben, die Haus und Hof schützen. Deshalb wächst der Holunder am liebsten in der Nähe von Häusern. Doch sollte man ihm stets mit Achtung begegnen, sich vor ihm verbeugen oder seinen Hut vor ihm ziehen. Dann beschützt er Haus und Hof und beschenkt die Bewohner reichlich mit Blüten und Beeren. Wisst ihr, dass Holunderblüten sehr gesund sind?“
Während sie erzählte, schichtete sie die frischen Holunderblüten im Topf. Der typische Blütenduft verbreitete sich in der ganzen Küche. „Die weißen Holunderblüten machen eure wieder Atemwege frei und wirken sich auch positiv auf’s Gemüt aus. Und die roten Hollerbeeren sind reich an Vitamin C. Sie helfen bei Erklärungen und stärken das Immunsystem. Deshalb mache ich den Sirup zweimal im Jahr. Im Frühjahr mit den weißen Blüten und im Herbst mit den roten Beeren. Ich will ja, dass ihr alle gsund bleibt’s!“
Dann übergoss sie die zarten Blütendolden vorsichtig mit heißen Zucker-Sirup und verschloss den großen Topf mit einem Deckel. „So! Jetzt müssen wir geduldig sein!“, sagte sie und trug den großen Topf in den kühlen Keller.
Erst drei Tage später holte sie in wieder herauf. Sie füllte ihn in Flaschen und verschloss diese mit Gummiringen. Der Sirup fertig war. Eine Flasche durften wir gleich öffnen. Das erste Glas des fruchtigen Durstlöschers schmeckte jedes Mal nach dem Sommer! Einfach himmlisch!
Hinter unserem Haus steht ein alter Holunderbaum. Heute, wenn ich den Holunderblütensirup mit den Holunderblüten aus unserem Garten machen, erinnere ich mich an Omas Geschichte.
